Ausschreitungen? Kann ich dann überhaupt mit ruhigem Gewissen meinen Sommerurlaub in Nordirland verbringen? – Ja, allerdings sollte man gut informiert sein. Die Zeit der Paraden, die sogenannte „marching season“, findet von Ende Juni bis Mitte Juli statt.
Die mit Blasmusik und Trommeln begleiteten Paraden sind sehenswert. Der Oranier Orden, der diese Paraden jedes Jahr organisiert, wirbt auch aktiv für Urlauber in der „marching season“. Immerhin möchten sie mit alten Vorurteilen aufräumen und anderen ihre Kultur näher bringen. Die Paraden finden grundsätzlich in ganz Nordirland statt (und auch in anderen Städten Großbritanniens). Neben Belfast bieten sich auch andere nordirische Städte an, die eine besondere Atmosphäre versprechen.
Paraden in Belfast
Die County Grand Orange Lodge of Belfast wird gemeinsam mit der Millar Memorial Flute Band die Parade am 12. Juli anführen. Startpunkt ist die Belfast Orange Hall am Carlisle Circus um 10 Uhr vormittags. Männer und Frauen, die zum Oranierorden gehören, werden mit rund 60 Bands eine Strecke von insgesamt 10 km zurücklegen. Gegen 10:30 Uhr erreicht die Parade das Rathaus von Belfast. Die Parade endet im Park „Barnetts Demesne“ nahe der Malone Road. Hier werden die Feierlichkeiten fortgesetzt und beinhalten unter anderem auch einen Gottesdienst. Gegen 16:15 Uhr startet die Parade wieder Richtung Stadtzentrum.
Paraden in Richhill und Annalong
Die richtig große Fete steigt jedoch nicht in Belfast, sondern in Richhill, County Armagh. Rund 5000 Oranier aus 11 Distrikt-Logen und 154 privaten Logen werden an der Parade teilnehmen. Begleitet werden sie von rund 70 Bands, von denen einige sogar aus Schottland anreisen. Umgeben von Bergen und dem Meer liefert der Küstenort Annalong wohl die schönste Kulisse für die Paraden am 12. Juli. Die Paraden in Richhill, Annalong und weiteren Städten Norirlands laufen dabei gleich ab wie in Belfast.
Paraden und Freudenfeuer als Provokation
Stets vor Augen haben sollte man, dass die Paraden eine protestantische Feierlichkeit sind. In der Schlacht am Fluss von Boyne im Jahr 1690 besiegte der protestantische König Wilhelm III. (King Billy) den katholischen König James II. Dass dieser Sieg, der mehr als 300 Jahre zurückliegt, bis heute von Protestanten gefeiert wird, empfinden viele Katholiken als Provokation. Auch die Freudenfeuer am Abend des 11. Juli sorgen immer wieder für Auseinandersetzungen. In protestantischen Vierteln werden bereits Tage und Wochen vor dem großen Tag Holzpaletten gesammelt und zu meterhohen Türmen gestappelt. Ganz oben auf diesen „Holztürmen“ werden immer wieder irische Flaggen gehisst und mit dem Holz verbrannt. Manchmal werden die Flaggen mit der Abkürzung KAT beschmiert – das bedeutet „Kill all Taigs“, wobei „Taigs“ ein Schimpfwort für Katholiken ist.
Vor möglichen Ausschreitungen sollte man sich daher um den 12. Juli vorsehen. Die Paraden führen nämlich auch durch katholische Siedlungen und Straßen. Vor allem Abends, wenn der Alkoholspiegel der „Paradengänger“ steigt, ist Vorsicht geboten. Am besten vorab im Touristenbüro informieren, welche Viertel bzw. Straßenzüge zu meiden sind.
Urlaub nach der Paradezeit
Auch in den Wochen nach dem 12. Juli kann es zu Ausschreitungen auf den Straßen von Belfast und anderen nordirischen Städten kommen – dies kam beispielsweise 2013 vor. Daher ist es empfehlenswert einige Wochen vor Reiseantritt die Medienberichte im Auge zu behalten, besonders britische/nordirische Medien sollten verfolgt werden. Sich lediglich auf deutschsprachige Medien zu verlassen, könnte trügerisch sein. Immerhin wird über Ausschreitungen und Konflikte in Nordirland aufgrund seiner meist „nur“ lokalen Bedeutung kaum noch berichtet.
Quellen:
Website der Grand Orange Lodge of Ireland (http://www.grandorangelodge.co.uk/twelfth17.aspx#.WVdybelCQdU)
BBC Dokumentation: „Twelfth in Northern Ireland 2013“
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